Eigentlich geht es heute um den Welttag des Buches, dieser Beitrag könnte aber genauso gut ein weiterer Beitrag für Katjas Blogparade über Spanien sein.
(Bild: Birte Mirbach)
Mit dem Welttag des Buches feiern wir die Kultur des geschriebenen Wortes und die Rechte ihrer Autoren, also der Feiertag schlechthin für uns Bücherwürmer. Das Datum geht auf den katalonischen St. Georgstag (Diada de Sant Jordi) zurück, an dem traditionell Bücher verschenkt werden. Spanien, eine Nation der Büchernarren. Oder? Die Bibliothek in León hatte anscheinend ihre ganz eigene Meinung dazu.
Ich ohne Bücher, das geht gar nicht. Als Tochter einer Buchhändlerin, die zeitweilig in der Stadtbibliothek gearbeitet hat, habe ich die Buchstaben quasi mit der Muttermilch aufgesogen. Ganz klar also, dass ich auch in Spanien die Bibliothek nutzen wollte.
Den Antrag für meinen Bibliotheksausweis mussten meine Gasteltern mitunterschreiben, was ich auch verstehen konnte; schließlich war ich Ausländerin ohne spanische Adresse im Ausweis. Ich hätte ja unauffindbar mit den ausgeliehenen Büchern verschwinden können. Diese Hürde auf dem Weg zum Lesefutter war jedenfalls schnell genommen. Ich ging also frohgemut mit meinem nigelnagelneuen Ausweis in die Kinder- und Jugendbuchabteilung und freute mich auf meine Ausbeute. Da meine Spanischkenntnisse erst im Aufbau waren, waren mir ganze Romane als Lektüre schlichtweg noch zu schwer. Dafür lockten in der Jugendabteilung etliche Regalmeter mit Comics, die mir beim Fremdsprachenlernen ja schon immer gute Dienste geleistet haben. Ich suchte mir also ein paar Bände aus und ging zum Ausleihschalter. Dort erlebte ich leider eine herbe Enttäuschung: Mit meinem Ausweis konnte ich mir keine Artikel aus der Jugendabteilung ausleihen, sondern nur aus der Abteilung für Erwachsene. Ausnahmemöglichkeiten: keine. Der entsprechende Ausweis für die Kinder- und Jugendabteilung wurde nur bis zu einer gewissen Altersgrenze ausgegeben, die ich schon deutlich überschritten hatte (Frage: Wie machten das die Mütter, die gerne für ihren Nachwuchs Bücher zum Vorlesen mitnehmen wollten?).
Also musste ich die Comics und den Jugendroman zurücklassen und in die Erwachsenenabteilung gehen. Dort gab es immerhin auch ein Regalbrett mit Asterix, Lucky Luke und Tim & Struppi, aber das war kein Vergleich zur Jugendabteilung. Mal ganz abgesehen davon, dass ein Teil davon auf Englisch war. Ich wollte doch Spanisch lernen. Kinderbücher gab es hier natürlich keine, dafür aber jede Menge Fachbücher zu allen möglichen Themen. Schluck. Also tapfer zum nächsten Roman gegriffen und auf ihn. Mehr als zwei Wochen Zeit hatte ich nämlich nicht. Da war die Bibliothek in León rigoros: Ausleihfrist maximal zwei Wochen, Verlängerung: nicht möglich. Und falls man es wagen sollte, das Buch zu spät zurückzugeben, wurde man gnadenlos durch eine Ausweissperre bestraft. Für genauso viele Tage, wie sich die Rückgabe verspätet hatte, wurde auch der Ausweis für weitere Ausleihen gesperrt. Wobei Sonn- und Feiertage erbarmungslos mitgezählt wurden, obwohl an den Tagen gar keine Rückgabe möglich gewesen wäre. Sind Spanier (respektive Leoneser) notorische Bücher-nicht-Zurückbringer, oder warum diese Strenge? Eigentlich sollte man Menschen doch eher zum Lesen einladen als sie abzuschrecken, dachte ich.
Wer weiß, vielleicht sind Spanier tatsächlich so bibliophil, dass sie jedes Buch behalten, wenn man sie nicht zur Rückgabe zwingt. Hm, wieso war die eine Kammer in unserer Wohnung eigentlich immer abgeschlossen???