Ich gebe es zu, ich kann kaum noch eine Übersetzung lesen oder einen synchronisierten Film sehen ohne mir Gedanken über den Originaltext zu machen, oder mich andersherum zu fragen, wie ich knifflige Stellen selbst übersetzt hätte.
Letztens habe ich z.B. einen amerikanischen Film gesehen. Dort hieß es von einer Frau, dass sie einst ein „Flapper“ gewesen war. Ein „Flapper“ bezeichnet eine selbstbewusste, emanzipierte junge Frau in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Im Deutschen haben wir dafür allerdings kein eigenständiges Wort. In einem Buch oder Text könnte ich einfach eine Erklärung einflechten – in einem Film geht das nicht. „She was a flapper“ hat fünf Silben, dann kann der deutsche Text nicht deutlich länger werden. Es sähe schon komisch aus, wenn der Schauspieler die Lippen nicht mehr bewegt, der Zuschauer aber immer noch seine (Synchron-)Stimme hört. Und die Schauspieler tun dem Synchronregisseur leider nicht immer den Gefallen, sich gerade dann, wenn sie sprechen, von der Kamera abzuwenden oder sich die Hand vor den Mund zu halten, so dass man ihre Lippenbewegungen nicht sieht.
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Was nun? Die einzige Möglichkeit ist hier, sich vom Ausgangstext zu lösen. Dazu muss ich mir natürlich überlegen: Welche Informationen sind wichtig und müssen auf jeden Fall in die Übersetzung hineingebracht werden? Was wird hier im Original ausgedrückt? Und wie wichtig ist das, was hier kommuniziert wird, für den Rest des Films? Kann ich die Aussage also notfalls deutlich abändern ohne dass der Film insgesamt darunter leidet? Auf dieser Grundlage kann ich mir ganz andere Formulierungen überlegen. An dieser konkreten Stelle ging es vor allem darum, die erwähnte Frau zu charakterisieren. Spinnen wir doch einmal drauflos: „Sie war eine ganz Kesse damals“, „sie war sehr emanzipiert“, „sie war eine ganz Wilde“, „sie war ein flotter Feger damals“, so in die Tüte gesprochen. Es sind natürlich noch viele andere, vor allem auch lippensynchrone, Varianten möglich.
Im konkreten Fall haben sie sich bei der Synchronisierung leider für einen Übersetzungsfehler entschieden und aus der emanzipierten Frau einen „Backfisch“ gemacht. Ein Backfisch hat mit einem Flapper ähnlich viel zu tun wie eine Rose mit einer Hirsepflanze. Beides sind weibliche Menschen jüngeren Alters, damit hören die Gemeinsamkeiten aber schon auf. Man kann fast schon sagen, dass der Backfisch das Gegenteil eines Flappers ist. Schade drum.